Pflanzwettbewerb
„Wir tun was für Bienen!“
Bepflanzte Fläche: 839.840 m²

Unsere Geschichte
Paar-Zellchen - so tauften wir als Gartenanfänger unser "Mietbeet" bei einem Selbsternteprojekt. Klar, dass später auch unser Garten, der aus zwei nebeneinanderliegenden Parzellen besteht, so heißen musste. Und was liegt näher, als die beiden Balkone unserer Wohnung mitten im Stuttgarter Westen dann City-Paar-Zellchen zu nennen?

Begonnen hat das Balkongärtnern mit Kräutern und Gemüse - und nach dem Motto: Das wollen wir haben! Das bauen wir an! Klar, dass mit dem Ansatz vieles nicht gelang. Vor allem auf dem extrem sonnen- und windexponierten Süd-Westbalkon staute sich die Hitze, der Wind trocknete die Töpfe in Null-Komma-Nix aus und egal wie viel Wasser, ob mit oder ohne Dünger, Mulch oder nicht: Gurken, Salat,... klappte nicht.

Im Nachhinein wundere ich mich, wieso wir nicht früher auf die Idee kamen, ein Permakultur-Design für die Balkone zu entwickeln, wo doch unser  Garten von Anfang an nach den Prinzipien der Permakultur bewirtschaftet wird. Aber auf diesen Miniflächen sah ich erstmal nur: eine Zone, ein Mikroklima. Falsch gedacht!

Für mein Permakultur-Design-Zertifikat an der Oregon State University musste ich für die Abschlussarbeit ein landbasiertes Design erstellen. Dabei war die Fläche frei wählbar. Frühere Teilnehmer*inne hätten ihren Hausgarten designt, es gäbe aber auch schon Designs für riesige Farmen – und: für winzige Balkone. Ja – BINGO!

Schnell war klar, dass auch auf einem schmalen Balkon mehrere Zonen und Mikroklimata vorhanden sind – bzw. auch bewusst geschaffen werden können. So entstand - erst nur theoretisch und am grünen Tisch –das Design für unsere Selbstversorger-Permakulturbalkone. Ziel war eine Zonierung für mehr Aufenthaltsqualität, das Schaffen verschiedener Mikroklimata für unterschiedliche Pflanzenbedürfnisse und die Nutzung der Vertikale als zusätzliche Anbaufläche. Bedingt durch die Einschränkungen während der Pandemie kamen wir aber trotz fertigem Design im Sommer 2020 nicht wirklich ins Tun – nur ein großes Hin- und Herrücken begann und ein paar Pflanzgefäße wurden mit einem Wasserspeicher nachgerüstet.

Vielleicht ein Glück, dass die Ideen Zeit zum Reifen hatten? Denn 2021 belegte ich einen Waldgartenkurs bei Waldgarten.global. Zwar bezog sich die Abschlussarbeit auf unseren Garten, aber das Gelernte war sehr befruchtend für das Balkondesign. Jetzt dachten wir nicht mehr nur an das Anbringen von Pflanzgefäßen an den Wänden. Vielmehr sollten die Pflanzen selbst in die Höhe wachsen! Bäume, Sträucher und Kletterpflanzen sollten eine lebende, laubabwerfende Beschattung schaffen. So sollten einerseits auch Pflanzen für Halbschatten und Schatten gedeihen können, andererseits aber auch der Sitzplatz im Freien und die Wohnung im Sommer beschattet und gekühlt werden. Und im Winter wäre durch den Laubabwurf wieder Licht und Sonnenwärme da.

Die Idee einer Pergola war geboren und nach einigem Suchen fand sich ein Handwerker, der mit uns gemeinsam ein passendesModell entwickelte und umsetzte. Ein junger Rebstock und eine selbstfruchtende Kiwi wurden angeschafft und schon im ersten Herbst konnten wir herrliche Trauben ernten. Für Schatten reichte es natürlich noch nicht. Den haben wir selbst aus Jutestoff gemacht (siehe Schritt 6). Aus dem Garten holten wir die ersten Wildpflanzen auf den Balkon, um neben unserem Kulturgemüse auch einheimische Pflanzen für einheimische tierische Mitgärtner zu bieten. Sogar einen winzigen Teich in einer Waschschüssel gab es ab Sommer 2021 und ein Sumpfbeet in einem großen Übertopf folgte bald, so dass wir auch Insektentränken hatten.

Richtig los ging es dann 2022! Das Jahr stand – auch wegen meiner Ausbildung zur Wildpflanzenpädagogin - ganz im Zeichen essbarer Wildpflanzen. Im Garten war uns schon lange aufgefallen, dass Wildgemüse wie Giersch, Nesseln, Rainkohl, Knoblauchrauke,… ausgesprochen wuchsfreudig sind und zwar ohne, dass sie gezielt angesiedelt werden müssen und Pflege brauchen. Kulturgemüse dagegen enthält weniger wichtige Nährstoffe, hat weniger Wert für die Biodiversität, braucht aber ständig Aufmerksamkeit. Warum also nicht die Balkone "verwildern" und einen "Wald" pflanzen? Neben wenigen Kulturgemüsen und Obstgehölzen sollten zukünftig noch viel mehr heimische Wildpflanzen für ein angenehmes Klima sorgen und gleichzeitig Trittsteinbiotop für heimische Wildtiere sein, die hier Nahrung, Unterschlupf und Platz für ihre Kinderstuben finden. Dabei sollten die ausgewählten Wildpflanzen zum Großteil essbar oder für die Hausapotheke nutzbar sein, mindestens aber vielen Tieren nutzen.

Gesagt – getan! Immer mehr Wildpflanzen zogen vom Garten auf den Balkon und Der Wein wuchs kräftig (die Kiwi weniger…) und der Anbau zur Selbstversorgung funktionierte immer besser! Im Schatten sonnen- und trockenheitsresistenter Kräuter und Wildpflanzen gediehen nun in zweiter Reihe, etwas schattiger und windgeschützt unsere geliebten Chilies (die es nirgendwo in der Vielfalt und in Bioqualität zu kaufen gibt) und in deren Schutz wiederum der Pflücksalat.
Im Frühjahr 22 bauten wir ein Vertikalbeet mit durchgehender Erdrückwand, den Herbios-Beeten aus Österreich nachempfunden und für unseren Rebstock einen besonders hohen Pflanzcontainer, den wir genau in das „zipfelige“ Ende unseres Balkons eingepasst haben. Erdbeeren, Schnittlauch, Gundermann und Echtes Leinkraut beschatteten die Füße des Rebstocks. Unsere beiden Obstbäumchen bekamen ebenfalls hohe Container, die wir aus mehreren Kisten zusammenschraubten und Bodendecker zur Gesellschaft. Übrigens haben alle großen Container Rollen, damit für Putz- und Pflegearbeiten auch mal Platz geschaffen werden kann.
Sofort war der Effekt der großen Pflanzgefäße sicht- und spürbar. Die Pflanzen wuchsen viel üppiger, weil sie mehr Wurzelraum hatten. Die größere Erdmasse speicherte länger das Wasser (weniger Gießarbeit) – und hatte einen deutlichen Kühleffekt. Alles zusammen zog auch mehr tierische Besucher an. Davon angespornt ersetzten wir nach und nach mit jedem Neuzugang die vielen kleinen Pflanzgefäße durch größere Kästen, in denen wir Pflanzen mit ähnlichen Ansprüchen an Wasser, Licht und Erde vergesellschafteten und bauten in die neuen Kästen jeweils einen Wasserspeicher ein.

Natürlich gab es auch Rückschläge – oder besser: Learnings.
Die Kiwi gedieh einfach nicht, auch nicht, als sie in einen größeren Container umziehen durfte. Nachdem das unser dritter Kiwiversuch war, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Kiwi bei uns nicht geht.
Der Versuch, 2022 auf 2023 in der Innenstadt, die wärmer als das Umland ist, ohne Winterschutz auszukommen, schlug fehl. Zwar erfroren die Pflanzen nicht, aber die im Sommerhalbjahr wind- und sonnenexponierte, extrem trockene Brüstung am Südwestbalkon ist im Winterhalbjahr eben auch exponiert – dann aber extrem nass. Das bekam natürlich unseren Trockenkünstlern überhaupt nicht, die Pflanzkästen versumpften und vermoosten, die Pflanzen litten schwer.
Lebendmulch wie Gundermann, Quellen-Hornkraut und Vogelmiere gediehen dagegen so kräftig, dass sie konkurrenzschwächere Pflanzen überwucherten. Krankheitsbedingt war länger 4 Monate keine Intervention möglich, so dass wir 2023 viel nachzubessern hatten.

Was wir seit Mitte März, unter Nutzung der Vorarbeiten aus 21 und 22 getan haben:

Schritt 1 – Pflanzsubstrat und Topfgröße:
Alle kleinen Töpfe haben wir verschenkt und durch größere (siehe Schritt 2) ersetzt. Sämtliche Pflanzen wurden neu getopft und dabei in durchlässiges und zugleich wasser- und nährstoffspeicherfähiges Subtrat gepflanzt. Dafür wurde ein mageres Dachgartensubstrat aus Lava und Ton (beides hat gute Speicherkapazitäten), ohne jeden Humus, verwendet. Dieses wurde, je nach Bedürfnis der Pflanzen, gemischt mit alter Erde (für die Hungerkünstler) bzw. mit Bio-Pflanzerde und Kompost aus dem eigenen Garten (für die hungrigeren Pflanzen und das Gemüse). Außerdem wurde Agrar-Perlit beigemischt, welches bei sehr geringem Gewicht für mehr Volumen sorgt und ebenfalls die Wasserhaltefähigkeit verbessert. Es eignet sich außerdem – sofern nicht von oben gegossen wird - als helle, reflektierende Mulchschicht.
Re-use! Wo immer möglich nutzen wir Vorhandenes und oder Gebrauchtes (siehe auch Schritt 6, Beschattung). Pflanzetiketten schnibble ich aus Joghurtbechern, da die Beschriftung darauf gut hält und vor allem - weil sie lebensmittelecht sind. Töpfchen von gekauften Jungpflanzen hebe ich sortiert auf und packe sie für mehr Mobilität in Champignon-Kisten, die ein Imbiss um die Ecke weggeworfen hat. Darin kann ich viele Töpfe gleichzeitig transportieren - und zum Wässern von unten (wg. Wurzelwachstum und bei Jungpflanzen auch, um Trauerfliegenbefall zu verhindern) - komplett ins Wasser stellen.

Schritt 2 – Wassermanagement und bedeckte Erde
Obwohl die Dachfläche des Hauses riesig ist und jährlich mehrere zehntausend Liter Regenwasser in der Kanalisation verschwinden, ist es unser Kummer, dass wir kein Regenwasser auffangen können. Es mangelt an Stellfläche, die in einem vernünftigen Verhältnis zum Bedarf steht. Auch die Tragfähigkeit des kleinen, freihängenden Balkons würde nicht für die benötigte Menge ausreichen. Als Kompromiss befüllen wir die Gießkannen so weit es geht mit z.B. Gemüsewaschwasser, Kartoffelkochwasser, Reste aus dem Wasserkocher etc., um weniger Trinkwasser zu verbrauchen. Vor allem aber setzen wir daraif. dem Wasserverbrauch zu reduzieren.
Das tun wir zum einen durch die Auswahl des Pflanzsubstrats (siehe Schritt 1). Zum anderen durch die Nutzung größtmöglicher Pflanzgefäße. Viele verschiedene kleine Töpfchen sehen zwar malerisch aus, trocknen aber viel zu schnell aus. Im Sommer reichte selbst zweimaliges Gießen an einem Tag nicht. Die neuen Gefäße sind, außer den selbstgebauten Containern aus unbehandeltem Lärchenholz, aus Gewichtsgründen aus Polypropylen (lebensmittelecht). Da die bauliche Gegebenheit nur besonders schmale Kästen erlaubt, gab es kaum Auswahl. Die Wasserspeicher haben wir alle selbst eingebaut. Seitlich ca. 2cm über dem Kastenboden Drainagelöcher gebohrt, bis zur Oberkante der Löcher Blähton als leichtgewichtige Draingageschicht eingefüllt, mit einem Gartenvlies (Frühbeetvlies) eine durchwurzelbare Trennschicht zwischen Erde und Blähton gelegt (damit die Drainage nicht verschlämmt) und in jede Drainageschicht ein Gießrohr mit kleinen Bohrlöchern in Höhe der Drainageschicht gesteckt. Das heißt, es wird nicht auf die Erde gegossen, sondern durch Gießrohre wird direkt der Speicher befüllt, das Wasser verdunstet nicht sofort an der Erdoberfläche, sondern steht unter dem Substrat, getrennt durch eine durchwurzelbare Vliesschicht, die das Verschlämmen der Drainage/des Speichers verhindert. Das führt dazu, dass die Pflanzenwurzeln stark nach unten zum Wasser streben, die Pflanzen also zu einem stabilen Wachstum angeregt werden. Gleichzeitig wird so viel weniger Wasser benötigt und es muss höchstens im Hochsommer täglich gegossen werden.
Auch die Tropfer unserer solarbetriebenen Urlaubsbewässerung haben wir nicht auf die Erde unter den Pflanzen, sondern direkt in die Gießrohre gelenkt – was wunderbar funktioniert hat.
Für kurze Abwesenheitszeiten nutzen wir gerne auch die "Fläschchenbewässerung". Die Pflanzen werden zuvor gut gegossen, damit die Erde gesättigt ist, dann werden mit Wasser befüllte PET-Flaschen umgedreht in die Erde gesteckt. Für ein Wochenende reicht das aus.
Dochtbewässerung, d.h. ein Wassertank mit saugfähigen Seilen, die dann um die Pflanzenwurzeln gelegt werden, haben wir auch schon probiert. Wichtig ist dafür, die Dochte zu beschweren oder festzuklemmen (ich habe Büroklammern zu uförmigen Erdhaken gebogen) und die Dochte an der Strecke, wo sie aus dem Wasser und zur Pflanze sind, zu ummanteln, z.B. mit Schlauch-Reststücken. Sonst trocknet der Docht ab, bevor das Wasser bei der Pflanze ist.
Tatsächlich nutzen wir aber eine Bewässerungsmethode nur in Abwesenheit. Sind wir daheim, gilt: Der beste Dünger ist der Schatten des Gärtners. Will heißen, wir gießen von Hand, so sehen wir jede Pflanze täglich und können uns spezifisch auf ihren Bedarf einstellen und intervenieren, wenn sich jemand zu breit macht.

So bald in der Natur ein Stück Erde unbedeckt ist, schickt sie ein "Pflanzenpflaster“ und begrünt die nackte Stelle. Das lässt sich auch in Balkongefäßen nachbilden, indem man niedrigwachsende und bodendeckende unter höhere Pflanzen ansiedelt. Allerdings muss man den Lebendmulch gut im Auge behalten und ggf. immer wieder zurückschneiden. In den Kräuterkästen testen wir gerade die extrem trockenheitsresistente Weiße Fetthenne als Bodendecker. Aus einem ca. 1cm² kleinen Ablegerchen, aus einer Gehsteigritze in der Stadt, ist inzwischen schon ein kleiner Teppich geworden...

Schritt 3 - natürlicher Dinger und keine -izide:
Gedüngt wird initial bei der Pflanzung mit Kompost aus dem eigenen Garten. Übers Jahr nutzen wir für Gemüse und Obst einen veganen Bio-Flüssigdünger, da der Kompost her- und hochtransportiert werden muss.  Kräutern und Wildpflanzen reicht die Kompstbeigabe bis zum nächsten Frühjahr. Wenn im Garten viel beim Jäten anfällt, gibt es auch mal Löwenzahn oder Brennnesseln als Mulch. Beinwell haben wir auf dem Balkon und nutzen die Blätter, wenn die Pflanzen zu groß werden, als nahrhaften Mulch.
Dass keinerlei Herbi-, Pesti- und Fungizide verwendet werden, versteht sich von selbst. Wir stellen fest, dass "Schädlingsbefall" sich sehr schnell durch nachziehende Nützlinge regelt, "Unkräuter" oft essbar, für Insekten nützlich - und im "worst case" noch immer für Mulch und Kompost nutzbar sind. Und Pilzbefall nicht lokal bekämpft, sondern die Anbaubedingungen überdacht und verändert werden müssen, damit es gar nicht erst zu Befall kommt.

Schritt 4 - Pflanzenauswahl:
Dem Spiel- und Entdeckertrieb wird etwas Einhalt geboten. (Der Garten ist Spielwiese genug.) Auf dem City-Paar-Zellchen wächst künftig an Gemüsen, Obst und Kräutern nur noch, was auch wirklich gegessen, am besten ganz frisch geerntet werden soll und im Garten zu viele Fressfeinde hat. Ansonsten gehört der Platz einheimischen Wildpflanzen, und zwar vorzugsweise auch denen, die wir essen, oder als Teekraut oder Heilpflanze nutzen. Mindestens aber müssen sie einen hohen Wert für einheimische Tiere haben. Darum ist z.B. die Aprikose in den Garten gezogen und durch eine Felsenbirne ersetzt worden.
Klar ist, dass wir nur samenfestes Bio-Ssaatgut verwenden und Saatgut auch selbst gewinnen bzw. sammeln. Nur bei Gemüsejungpflanzen für den Herbst-/Winteranbau ist es - wenn ich lokal kaufen möchte - noch schwierig, immer Bio-Qualität zu finden. Aber auch da tut sich was.

Schritt 5 - Strukturelemente für die Biodiversität:
Früher betrachteten wir Wurzeln, knorrige Äste und schöne Steine schlicht als Deko. Aber: Schönheit und Nutzen schließen sich nicht aus. Steine sind Windschutz und Heizung genauso wie Deko - und sie werden von Sechs- und Achtbeinern als Unterschlupf genutzt. Gleiches gilt für Totholzelemente. Größere Äste sind außerdem Ansitz und Ausguck für Wildvögel und Nistmöglichkeit für Totholzbewohner.
Den Miniteich lieben wir weiterhin, der Sumpftopf bekam einen zweiten zur Gesellschaft. Alle zusammen wirken kühlend, sind Insektentränke und Unterkunft, weil darin einheimische Wildpflanzen wachsen.
Wilde Ecken gehen auch prima auf kleinster Fläche. Wir haben einfach die äußere Schmalseite des Südwest-Balkons, die mit Gehölzen zugepflanzt ist  sowie den spitzel "Zipfel" außen, an die man kaum drankkommt, zu "Wildniszonen" erklärt. Außerdem gibt es noch einen Kasten hoch oben, den wir in Ruhe lassen, schon weil er nur mit Leiter bearbeitbar ist und Leiter auf einem 1m breiten Balkon, 20m über der Straße... ist gruselig. In den "wilden" Gefäßen habe ich zum "Einstand" ein paar Wildpflanzen aus dem Garten gestezt (Gänseblümchen, Löwenzahn, Giersch, Eisenkraut, das mitten im Weg wuchs, Fetthennen...) - und seit 2 Jahren darf wachsen, was kommt. Deutlich wird hier - die Natur "pflanzt" nur, was Sinn macht!
Eine Vogeltränke, mit bepflanzter Ausstiegshilfe für Insekten, kam dazu – und wurde übrigens mit unserer Tropfbewässerung auch in Abwesenheit täglich nachgefüllt.
Neu sind Nisthilfen für Insekten – sowohl gekaufte, als auch aus Totholz und Ziegeln. Die ersten Mieter in den gekauften zogen übrigens schon ein, als sie nach dem Einkauf noch zum Aufhängen bereit auf dem Balkontisch standen!
Die Nisthilfe für Rauchschwalben und ein Vogelnistkasten sind noch nicht angenommen worden, das ist im ersten Jahr durchaus normal.
Wenn im August die Wespen das Draußenessen vermiesen, stellen wir einen Teller mit Obst in die unzugängliche Ecke - und haben unsere Ruhe.

Schritt 6 - Beschattung:
Obwohl sich der kühlende Effekt durch die in 2022 gebauten, großen Pflanzgefäße und damit mehr und größere Pflanzen sofort bemerkbar gemacht haben, brauchen wir im Hochsommer noch Beschattung. Es ist noch ein zweiter Rebstock eingezogen, außerdem ranken inzwischen auch Hopfen und Kürbis nach oben. Aber noch bedeckt der junge Wein die Pergolas nicht. Wir haben uns für die Beschattung für grobes Jutegewebe entschieden. Und zwar für jenes, das wir schon seit Jahren als Winterschutz für unsere Pflanzgefäße im Gebrauch haben, so dass es jetzt rund ums Jahr in Gebrauch ist. Jute ist ein natürliches Material aus Pflanzenfasern, also letzten Endes nach Gebrauch kompostierbar. Es ist licht-, wasser- und winddurchlässig, mildert natürliche Einflüsse also nur ab, ohne sie zu blockieren. (Die Winddurchlässigkeit ist unverzichtbar, da in 20m undurchlässiger Stoff vom Wind zerfetzt würde.) Wir befestigen die Stoffbahnen mit Wäscheklammern an den Rankdrähten, wie an einer Wäscheleine. Das Gewebe erzeugt einen natürlichen, lichten, bewegten Schatten, so als würde man auf einer Lichtung sitzen. Es sieht schön aus, ist schnell montiert und flexibel, so dass die Rankpflanzen jederzeit nachrücken können, indem wir das Gewebe einfach verschieben.
Ziel ist ein Waldgarten auf dem Balkon. Von den typischen 7 Schichten (Wurzeln, Bodendecker, Krautschicht, Strauchschicht, niedrige Bäume, hohe Bäume, Rankpflanzen) bilden wir 5 ab. Hohe Bäume gehen natürlich nicht und Wurzelgemüse ziehen wir im Garten in großen Hochbeeten.

Schritt 7 – weiteres Hitzemanagement:
Vom Voreigentümer war der Balkon mit einem schwarzen Kunststoffboden und dunkelbraunen Wände gestaltet, es gab keinen Wind- und Sichtschutz. Allein die Verwendung der Schilfrohrumrandung sorgte für eine teilweise Beschattung und somit Abkühlung des Balkonbodens. Außerdem trocknete die Erde in den Pflanzgefäßen nicht mehr so rasend schnell aus und die Pflanzen waren nicht mehr so zerzaust. Die hellen Terrassendielen sind schwimmend, also belüftet verlegt, der Boden ist viel kühler. Die Wände haben wir hell lasiert – so wird das Licht reflektiert, was den Pflanzen in den schattigen Ecken zugutekommt und gleichzeitig für etwas niedrigere Temperaturen sorgt. Alle Gefäße sind mit Perlit gemulcht. Da wir nicht von oben gießen, versinkt es nicht in der Erde und bildet eine helle, lichtreflektierende und damit kühlende Mulchschicht, die gleichzeitig Wasser speichert.

Highlights des Jahres und Aktionen mit Außenwirkung:
Eine Eigentümerversammlung im Mai, in der sich über „das Taubenproblem“ ausgetauscht wurde, endete damit, dass die Miteigentümer (auch per Protokoll) zur Belebung und Begrünung ihrer Balkons aufgefordert wurden. Für die kommende Versammlung habe ich schon die Begrünung der gemeinsamen Treppenhausfenster mit hitze- und windtoleranten, mehrjährigen Pflanzen auf die Agenda setzen lassen.
Meine Saatgutverschenkaktion mit Saatgut für einheimische Wildpflanzen, wurde schon von zwei Nachbarn angenommen, weitere haben die vorhandene Bepflanzung ihrer Balkone deutlich erweitert.
Sowohl auf dem Balkon, als auch im Garten fallen immer wieder überschüssige Pflanzen und Saatgut an. Auch Pflanzgefäße bleiben mal übrig oder sonstige Utensilien. Die kommen jedesmal in eine Verschenkbox vor der Haustür. Auf die Weise habe ich schon gut hundert Erdbeerjungpflanzen, genau so viele Aloe Vera-Jungpflanzen, Saatgut, eine Blumentreppe... verschenkt. Meist ist die Kiste in kürzester Zeit leer - und ich freu mich, dass andere zum Balkongärtnern mitten in der Stadt angeregt werden. Klar dass es zu Pflanzen und Saatgut immer noch Zettelchen mit Erläuterungen dazugibt.
Supergerne tausche ich mich auf Facebook mit anderen Gärtner*innen aus - ob großer Garten oder Balkon/Terrasse ist mir gleich - so lange im Einklang mit der Natur gegärtnert wird. Ich teile Fotos und berichte von meinen Erfolgen - aber auch Misserfolgen.
Ein Blog (und mehr) ist in Planung (https://ernaehrungssouveraen.de/), liegt aus gesundheitlchen Gründen aber (noch) auf Eis.
Im Juni war ein Fernsehteam des mdr zu Gast, am 20. August wird unser City-Paar-Zellchen in einem ca. 3-minütigen Beitrag im mdr-Garten vorgestellt. Der kurze Film wird danach auch in der Mediathek abrufbar sein.

Fazit: Unsere Balkone sind „work in progress“. Mit jeder neuen gärtnerischen Erfahrung, mit jedem Gartenbuch, mit jedem Austausch über den – realen oder virtuellen – Gartenzaun und mit jeder neuen Fortbildung kommen neue Ideen und Erkenntnisse dazu. Wie jeder Garten ist auch ein Balkongarten, nie „fertig“ – und das ist ja das Wunderbare daran.

Standort

70193 Stuttgart

Vorher- & Nachher-Bilder

Aktions-Bilder

Heimische Pflanzen

Gartenstrukturen

Aktionsbilder & Infoarbeit

Jubelbilder

Vorher- & Nachher-Bilder

Anzahl der Projektbeteiligten

2

Fläche

6 m²

Pflanzliste

Einjährige Pflanzen, heimisch

  1. Behaartes Schaumkraut
  2. Ehrenpreis, Efeu-E.
  3. Hasenklee
  4. Kleiner Klee
  5. Kornblume
  6. Pflücksalat
  7. Rainkohl
  8. Rote Taubnessel
  9. Tauben-Storchschnabel
  10. Vergissmeinnicht
  11. Wald-Schaumkraut
  12. Weißer Gänsefuß

Einjährige Pflanzen, nicht heimisch

  1. Basilikum
  2. Borretsch
  3. Catalogna
  4. Ehrenpreis, persischer
  5. Färber-Mädchenauge
  6. Gewürztagetes
  7. Herzgespann, sibirisches
  8. Kapuzinerkresse
  9. Koriander
  10. Kürbis Sweet Dumpling
  11. Paprika
  12. Ringelblume
  13. Sommerportulak
  14. Sonnenblume
  15. Tomate
  16. Winter-Portulak
  17. Wunderblume
  18. Zucchini

Zweijährige Pflanzen, heimisch

  1. Barbarakraut
  2. Gelber Steinklee
  3. Große Klette
  4. Knoblauchsrauke
  5. Löffelkraut
  6. Mangold
  7. Mehlige Königskerze
  8. Natternkopf
  9. Rote Bete
  10. Rote Lichtnelke
  11. Schwarze Königskerze
  12. Wegmalve
  13. Wegwarte
  14. Weißer Steinklee
  15. Wilde Karde
  16. Wilde Möhre
  17. Wirsing

Zweijährige Pflanzen, nicht heimisch

  1. Fenchel
  2. Asia-Salat (Mischung)
  3. Bartnelke
  4. Chinakohl
  5. Grünkohl
  6. Kohlrabi
  7. Kronenlichtnelke
  8. Petersilie, glatt
  9. Petersilie, kraus
  10. Schwarzkohl

Stauden, heimisch

  1. Ährige Teufelskralle
  2. Akelei
  3. Bachbunge
  4. Baldrian
  5. Bärwurz
  6. Beinwell
  7. Blutampfer
  8. Blutweiderich
  9. Blutwurz
  10. Breitwegerich
  11. Brunnenkresse
  12. Duftveilchen
  13. Echtes Leinkraut
  14. Ehrenpreis, echter
  15. Ehrenpreis, Gamander-E.
  16. Estragon, frz.
  17. Frauenmantel
  18. Gänseblümchen
  19. Gänsefingerkraut
  20. Giersch
  21. Goldnessel
  22. Gundermann
  23. Guter Heinrich
  24. Hopfen
  25. Huflattich
  26. Johanniskraut, echtes
  27. Kleine Braunelle
  28. Kleiner Wiesenknopf
  29. Knäuelglockenblume
  30. Knotenbeinwell
  31. Kriechender Günsel
  32. Kriechendes Fingerkraut
  33. Labkraut, echtes
  34. Löwenzahn
  35. Lungenkraut
  36. Mädesüß
  37. Narzisse
  38. Nelkenwurz
  39. Nesselblättrige Glockenblume
  40. Oregano/Dost
  41. Pfennigkraut
  42. Primel (verm. Bastard-Aurikel)
  43. Purpur-Waldfetthenne
  44. Quellen-Hornkraut
  45. Rapunzel-Glockenblume
  46. Rittersporn
  47. Sauerampfer
  48. Schafgarbe
  49. Schildampfer
  50. Schlangenköterich
  51. Schlüsselblume
  52. Schnittsellerie
  53. Spitzwegerich
  54. Stinkender Storchschnabel
  55. Taubenskabiose
  56. Traubenkropf-Leinkraut
  57. Vogelmiere
  58. Vogel-Wicke
  59. Walderdbeere
  60. Waldsauerklee
  61. Wald-Witwenblume
  62. Waldziest
  63. Wasserdost
  64. Weidenröschen
  65. Weiße Taubnessel
  66. Weißer Mauerpfeffer
  67. Weißklee
  68. Wiesensalbei
  69. Wiesenschaumkraut
  70. Wiesen-Witwenblume
  71. Wilde Malve
  72. Wilde Rauke
  73. Wildes Löwenmaul
  74. Zypressen-Wolfsmilch

Stauden, nicht heimisch

  1. Chilies
  2. Ehrenpreis, kriechender
  3. Erdbeere
  4. Funkien (2)
  5. Galangal
  6. Hauswurz
  7. Hirschhornwegerich
  8. Indianernessel
  9. Ingwer
  10. Katzenminze
  11. Knolliger Sauerklee
  12. Koreanische Minze
  13. Lupine
  14. Majoran
  15. Mutterkraut
  16. Nachtkerze
  17. Patagonisches Eisenkraut
  18. Pfefferminze
  19. Polsterglockenblume (ver. Dalmatiner)
  20. Salbei
  21. Schatten-Steinbrech
  22. Strand-Silberkraut

Halbsträucher, heimisch

  1. Berg-Bohnenkraut
  2. Dorniger Hauhechel
  3. Thymian (nicht alle Arten)
  4. Ysop

Halbsträucher, nicht heimisch

  1. Lavendel
  2. Rosmarin
  3. Thymian (nicht alle Arten)

Gehölze, heimisch

  1. Wein

Gehölze, nicht heimisch

  1. Heidelbeere, amerikanische
  2. Nektarine, Zwergform

Gras, heimisch

  1. Ruchgras

Zwiebeln

  1. Berglauch
  2. Schnittlauch
  3. Traubenhyazinthe
  4. Schnittknoblauch
  5. Winterheckenzwiebel

Informationen zur Gruppe

Im Wesentlichen pflege ich die beiden Balkone - das Design hat sich aus dem Abschlussdesign meines 72h-Permakultur-Design-Kurses, meinem Waldgartenkurs und diversen anderen Kursen wie „Growing Food in Small Spaces“ der britischen Permakulturvereinigung oder der Fortbildung zur Wildpflanzenpädagogin entwickelt und verändert sich ständig weiter. Auf mein Konto gehen die Pflanzenauswahl, die Auswahl und Mischung der Substrate, der Einbau der Wasserspeicher in die Pflanzgefäße, sowie der helle Anstrich der Wände. Mein Mann Alex hilft mit Rat und Tat (und Engelsgedult), wenn es um handwerkliche Arbeiten geht und bei der ganzen Schlepperei in den 5. Stock (110 Stufen und nein: kein Aufzug). Er hat den Nachbau des Herbios-Vertikalbeets im Wesentlichen konstruiert und gebaut, ebenso die großen Pflanzcontainer für Wein und Balkonobstbäume. Er hat die Rankspaliere montiert, den Wind-/Sichtschutz angebracht, den unsäglich heißen schwarzen Kunststoffboden mit Terrassendielen verkleidet und das Innenregal an der Balkonbrüstung montiert. Nicht am täglichen Tun beteiligt, aber wichtig für das Gelingen über die Jahre: Die Idee zur Pergola habe ich über zwei Fortbildungen hinweg entwickelt. Das endgültige Design haben wir zusammen mit Gary Funke entworfen, den wir über das Internet gefunden haben. Von seiner Umsetzung auf dem "großen" Balkon waren wir so angetan, dass wir ihn anschließend auch mit einer Pergola auf dem kleinen Balkon beauftragt haben. Ein großer Dank an Jürgen Herler von Herbios, der – obwohl wir sein Vertikalbeet selbst nachgebaut haben – sogar noch Tipps zur lebensmittelechten Lasur gegeben hat. Das zeigt wahre Größe und dass unser gemeinsames Anliegen, die Natur zu schützen und Biodiversität zu fördern vor monetären Interessen steht. Ebenfalls ein großer Dank geht an unseren lieben Nachbarn Heinrich Maucher, der ausgerechnet in den bisher heißesten Wochen dieses Jahres während unserer Urlaubsbewässerung kontrolliert und die Tanks nachgefüllt hat. So war auch die Vogeltränke durchgehend befüllt und außer einem zuvor schon halblebigen Rosmarin haben alle überlebt – und das sind mehrere hundert Pflanzenindividuen! Er gehört auch zu den Nachbarn, sie sich von uns haben anstecken lassen und Saatgut zur Balkonbegrünung ausgebracht hat. Es wächst schon! Immer wieder neue Ideen kommen aus verschiedenen Facebook-Gruppen. Allen voran die Bio-Balkon-Kongress-Gruppe von Birgit Schattling, aber z.B. auch Markus Gastls Hortus-Netzwerk u.v.a. Eine sehr große Hilfe, vor allem bei der Zusammenstellung von Pflanzengildern für einzelne Gefäße, war uns ist die geniale Datenbank www.natura.db. Mit ihr habe ich auch die Pflanzen inventarisiert. Mit der Inventurliste lässt sich auf einen Blick der Wert der bisherigen Bepflanzung für Insekten, zahlenmäßig und grafisch, erfassen – und so noch optimieren. Unterwegs und wenn auf dem Balkon neue Pflanzen auftauchen, nutze ich die App Flora incognita der TU Ilmenau https://floraincognita.de/. So kann ich schon im Gelände Ideen für den Balkon sammeln bzw. direkt auf dem Balkon feststellen, was sich da wild angesiedelt hat.