Wildbienengärtnern im Kleinformat – vom konventionellen zum naturnahen Stadtgärtchen

Hallo,

ich bin 5 Jahre und meine Mama nennt mich "Hummelchen". Ich liebe Tiere und Pflanzen und möchte später einmal Naturgärtner oder Insektendoktor werden. Bis dahin versuche ich möglichst viel über die Natur zu lernen.

Unser Garten ist mit 110 qm Grünfläche ziemlich klein und liegt in der Stadt. Überhaupt einen Garten zu haben (der größer ist als ein Handtuch), ist hier ein echter Glücksfall.

Mama hat unser Minigärtchen ab 2012 selbst angelegt. Sie liebt es Löcher zu graben und hat alle Beete von Hand mit dem Unkrautstecher abgestochen. Unser Boden hier ist sehr steinig und das Buddeln mit dem Spaten noch mühseliger. Da Mama in den kleinen Garten immer mehr reinpackt, schrumpft die Wiesenfläche. Aber ein wenig darf ich zum Zelten und Spielen die nächsten Jahre behalten. Das hat sie mir versprochen.

Leider hat Mama bis 2019 aus Sicht der Bienen bei der Pflanzenwahl so ziemlich jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Die Pflanzenkäufe waren spontan. Was Mama im Baumarkt oder der Gärtnerei bunt anlachte, durfte bei uns einziehen. So sammelte sich im Laufe der Zeit jede Menge Exotisches an. Viele der Pflanzen waren obendrein echte Wasserschlucker und Mama war nur am Gießen.

Die Beete wuchsen, alles wurde etwas weniger eckig. Aber das Schlüsselerlebnis folgte im Frühsommer 2019, als Mama auf der Terrasse saß und zwei Dinge plötzlich ganz arg vermisste: Insekten und Wildwuchs - also NATUR.

Ab sofort wollte Mama unbedingt einen naturnahen Garten. Sie las viel und kaufte sich u. a. den Westrich-Wälzer „Die Wildbienen Deutschlands“. Eins war klar: Der Großteil der Pflanzen musste ausgetauscht werden. Doch wie schnell würde das gehen? Nicht so schnell wie Mama es gerne gehabt hätte. Sie ist immer noch mittendrin. 2019 wurden erst einmal einige Stauden ersetzt (z. B. durch Muskateller-Salbei, Natternkopf, Dost, Quirlblütigen Salbei, Wiesen-Salbei). 2020 wollte Mama dann größere Brötchen backen. Sie hat hier aufgeschrieben, was sie heuer schon geschafft hat:

1. Austausch des Gehölzbestandes (1. Teil): 8 Rispenhortensien, 3 Spieren, eine Magnolie und 3 Glanzmispeln wurden an die Nachbarn verschenkt. Ersetzt wurden sie durch Kornelkirschen, Schlehen, Roten Hartriegel und heimische Felsenbirne.
2. Austausch von Stauden (1. Teil): Zuchtmargeriten und Präriesonnenhut Goldsturm mussten weichen. Einige Gräser und Stauden werden zum Ende des Sommers noch folgen. Bisherige Ersatzstauden 2020 siehe Pflanzliste.
3. Erweiterung der Pflanzfläche durch große Pflanzkübel, Insektenbuffet auf dem Balkon und ein neues Binnenbeet
4. Einsaaten (leider nicht so erfolgreich)
5. Installation eines Wildbienenhauses: bisher mit Hartholzblöcken und Reet-Röhren bestückt. Die Regalform bietet viele Erweiterungsmöglichkeiten.
6. Totholz: Das neue Binnenbeet wurde mit Totholz gestaltet. Zeitgleich zog ein Balkenschröter im Garten ein. Ein Zufall?
7. Insektentränken: Es wurden mehrere Insektentränken aufgestellt. Gott sei Dank war der bisherige Sommer in unserer Gegend recht niederschlagsreich und der Besuch selbiger weniger überlebenswichtig als in extrem heißen Sommern.
8. Lassen statt Machen: Die Wiese wird nur noch selten gemäht. Der sich ausbreitende Efeu aus den Nachbargärten wird nicht mehr als lästiges Übel betrachtet. Die wild aufgegangenen Himbeeranken dürfen es sich zwischen der Anpflanzung gemütlich machen. Der Herbstschnitt der Stauden entfällt zugunsten der Tierwelt. Erstmals durfte der Giersch ausblühen und wurde nicht großräumig entfernt (sehr zur Freude von Streifenwanze und zahlreicher Wildbienen). Das Leinkraut wird nicht mehr am Versamen gehindert und wandert seither munter durch den Garten.

Für dieses Jahr noch geplant:

1. Austausch weiterer Stauden (u. a. Phlox)
   
2. Austausch weiterer Gehölze (Hortensien!!), Ergänzung der Naschinsel durch Säulenobst
3. völlige Umgestaltung des Vorbeetes: Teilentsiegelung der Betonpflasterwüste, Neugestaltung der Wege mit großen Fugen und heimischem second-hand-Granitborden, Vergrößerung des Beetes mit ausgefransten Rändern zur Verschmelzung von Beet und Weg, Austausch des Hausbaumes (Acer) durch eine Felsenbierne, anschließende Neubepflanzung mit trockenheitsverträglicher Wildstaudenbepflanzung, Totholzelemente
4. Mini-Trockenmauer an einer Seite des Totholzbeetes zum Anböschen (Modellierung durch Wegaushub für kleinen Schotterweg)

Vom rundherum naturnahen Garten sind wir natürlich noch ein gutes Stück Arbeit, viel Sand, Steine und Totholz entfernt. Aber der Anfang ist gemacht, wir sind auf dem richtigen Weg! Wenn Mama wieder ungeduldig wird, sag ich ihr, dass man auch mal warten können muss. ;) Eine Frau und eine Hummel mit Unkrautstecher und Schäufelchen sind schließlich kein D-Zug.

Insgeheim träumt Mama von einem Senkgarten, einer Trockenmauer, einem Miniteich ... Wo sie all diese Dinge unterbringen will, bleibt ihr Geheimnis. Ich bin auf jeden Fall dabei - und meine "Wildbienenkollegen" ganz bestimmt auch!

Vorher- & Nachher-Bilder

Es war einmal ein Rasenkasten ...

So sah unser Garten tatsächlich mal aus - angeblich. Ich kann es ja kaum glauben, aber da unsere Katze darauf zu sehen ist, schwindelt Mama mich wohl nicht an. Mit der Vorbeetbepflanzung hat Mama echt den Vogel abgeschossen!

Die Bepflanzung war bunt ...

... aber kein Insektenhit, sondern ein Baumarktwitz.

Ich habe immer fleißig geholfen!

Mama und ich waren von Anfang an ein super Garten-Team. Jetzt musste Mama nur noch begreifen, dass wir Quatsch pflanzen (und gießen).

2018 gab es eine Sitzbank und ein neues Terrassenbeet

Die Bepflanzung war aber immer noch nicht wirklich insektenfreundlich. Alles ist noch sehr "aufgeräumt".

Aktions-Bilder

Mai: Ein erster Schwung Neupflanzen

Meist kamen sie per Post. Dabei sahen sie beim Auspacken nicht immer schön aus (siehe rechts oben). Aber Bio-Wildstauden waren für uns nur übers Internet zu bekommen. Gott sei Dank haben alle Pflanzen bis auf eine überlebt.

Mai: Die neue Topfbepflanzung

Um noch mehr Pflanzfläche zu gewinnen, mussten weitere Tröge her. Hier pflanze ich mein eigenes Insekten-Buffet.

Mai, Juni, Juli: Altes muss weichen ...

und Neues kommt. Manches wird von selbst. Ein letztes Mal Kochen mit den Hortensien - bald sind sie Geschichte. Man kann sie übrigens prima panieren.

Mitte Juni: Das neue Wildbienenhaus

Papa und ich haben es für Mama gebaut. Ich habe geleimt, gehämmert und gebohrt. Auf das Ergebnis bin ich mächtig stolz und Mama hat sich riesig gefreut. Die Wildbienen auch, glaub ich ... Die Geschichte zur Holzbeschaffung erzähl' ich euch nicht: Corona-irre! Nicht ganz wie geplant, aber es steht.

Juni und Juli: Samen-Grüße

Nachdem wir niemanden treffen konnten, erhielten Freunde und Bekannte Post von uns.

Anfang Juli: Mama und ich legen das neue Binnenbeet an

Natürlich kommt auch Totholz rein - wo hier doch einer der letzten freien Sonnenplätze zu ergattern ist. Die Vögel auf der Lärche im Nachbargarten wollten uns beim Werkeln zusehen.

Meine Beerdigungsstelle

Für mich ist es sehr wichtig tote Insekten zu beerdigen. Jeder hat ein wenig Liebe und Respekt verdient. Deshalb habe ich mir eine eigene "Beerdigungsstelle" angelegt. Ob andere das komisch finden, ist mir egal. Außerdem fotografiere und male ich die Tiere. Das kann ich richtig gut.

Die Oberaufsicht ...

... kam morgens und/oder abends mal zur Beetabnahme vorbei. Das neue Kraxelholz kam am besten bei ihr an.

Nachher-Bilder

Papa und ich genießen

Wir müssen kurz mal nachsehen, ob das da am Alant eine Glanzbiene sein könnte. Der Westrich ist so schwer, dass Papa ihn für mich halten muss.

Es wird wild

Für Mama noch nicht wild genug. Sie hat schon wieder die Schaufel in der Hand ... schließlich ist die Umzugsaktion noch mitten im Gange.

Mama, du hast noch was vergessen!

Die verbliebenen Hortensien, der Phlox und einige Gräser müssen noch umziehen. Und was bedeutet das? Noch mehr Platz, noch mehr Pflanzen und wieder BUDDELN!

Übersicht 1

Übersicht 2

Übersicht 3

Ja, die vielen neuen Wildstauden und -gehölze verschwinden noch. Dabei waren es 2020 gut 120 Stück. Aber das ist alles eine Frage der Zeit ...

Es wächst ...

Im Totholzbeet blüht es mittlerweile. Im Vorgarten wuchert der Lerchensporn - vielleicht ein wenig zu sehr, denn die Glockenblumen verschwinden schon. Der Eibisch ist einen halben Meter gewachsen.

Mein Balkonbuffet blüht ...

... und ist wirklich gut besucht (siehe Gäste). Es tummeln sich hier vor allen Dingen Minibienen und ich brauche viel Geduld sie zu beobachten. Bis die sich mal hinsetzen! Sie sind sehr "hektisch". Aber ich halte ganz still und irgendwann ist es dann soweit.

Unsere Wildbienengäste 1

Blattschneiderbienen nisten bei uns im Balkonkasten unterm Sedum. Die Schwarzblaue Holzbiene liebt den Muskateller-Salbei im Terrassenbeet. Sie kommt seit Wochen jeden Tag mehrmals täglich vorbei.

Unsere Wildbienengäste 2

Maskenbienen, Löcherbienen, Glanzbienen (?) und jede Menge Hummeln - der Laden brummt! Manch einer verirrt sich auch mal an Stoffblumen auf der Kleidung ...

Unsere Wildbienengäste 3

Ein echtes Spektakel veranstaltet das Garten-Wollbienen-Männchen, wenn es sein Revier um zwei große Katzenminzestauden verteidigt. Jeder Eindringlich wird sofort zum Absturz gebracht. Die Fotos zeigen eindrucksvoll seinen bedornten Hinterleib und eine Hochzeit.

Unsere Wildbienengäste 4

Die Karthäusernelke, der Natternkopf und der Alant sind beliebt. Und Hummeln sind sowieso fast überall zu sehen.

Unsere Wildbienengäste 5

Die Größenunterschiede finde ich immer noch enorm. Von 4 mm bis 3 cm ist alles dabei ...

Unsere Wildbienengäste 6

Da der Sonnenhut bei den Hummeln so beliebt ist, hat er Bleiberecht bekommen. Das Maskenbienenweibchen liebt die Flockenblume. Die Platterbsenmörtelbiene ist eine echte Verrenkungskünstlerin. Und ich? Ich warte mal wieder auf die Schwarzblaue Holzbiene. Der Muskateller-Salbei überragt sogar Mama.

Weitere Gäste 1

Bläulinge sehen wir nun häufig. Das war lange Zeit nicht so.

Weitere Gäste 2

Die Glanzwespe finde ich besonders hübsch. Das Heupferd war ein echter "Prackl".

Weitere Gäste 3

Seit der Giersch blühen darf, tummeln sich hier auch Streifenwanzen. Die wunderschönen Eier (etwa 1 mm groß) konnten wir bisher leider nicht zuordnen.

Weitere Gäste 4

Unser Eichhörnchen kam bis Mitte Juni täglich morgens vorbei (wenn die Katze schon im Haus schlummerte). Wir achten drauf, dass sie sich nicht in die Quere kommen. Das junge Spechtmännchen hatte sich an der Grenzmauer verirrt. Die Meisen sind in der Nistphase verrückt nach Katzenpelz.

Unser Igel

Endlich sehe ich ihn auch einmal. Normalerweise schlafe ich längst, wenn er zu uns kommt. Aber diesmal war ich noch wach.

Und kurz vor Schluss ...

Diese Besucher wollten heute ebenfalls noch in die Galerie aufgenommen werden. Endlich habe ich auch einmal eine Biene beim Schlafen gesehen (oben Mitte). Sie sah wirklich ziemlich müde aus, aber sie hatte es kuschlig in der Strauchpappelblüte. Gute Nacht!

Nachher-Bilder

Das neue Binnenbeet entstand erst Anfang Juli und die Pflanzen sind noch ganz klein. Aber im Totholz wohnt ganz sicher jemand - das Sägemehl muss ja irgendwo herkommen.Vielleicht ist es vom Balkenschröter? Der saß - zack - genau an dem Tag auf der Terrasse, als das Holz in den Garten gebracht wurde.

Die Tränke wurde bislang hauptsächlich von Wespen angenommen. Da der Sommer nicht so trocken ist wie 2019, ist es für die Insekten sicher einfacher.

Das Wildbienenhaus ist gut besucht. Am liebsten tummelt sich dort die Gewöhnliche Löcherbiene. Auch unser Nussbaum hat in einem morschen Ast Nistplätze im Angebot.

Zwei leicht kaputte Zaunbereiche wurden zu großen Löchern umfunktioniert. Sie verbinden unseren Garten mit zwei der drei Nachbargärten. So haben es die Igel leichter. Und ich finde jeden Tag Igelhäufchen ...